LG Köln: YouTube-Video mit Heinrich-Böll-Fabel verletzt Urheberrecht des Verlags

Share on Twitter Share on Facebook Share on Xing Share on LinkedIn Print

„Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral“ ist der Titel einer Fabel des Autors Heinrich Böll. Ein Lehrer wollte den Inhalt der Fabel seinen Schülern in modernerer Form nahebringen und erstellte hierzu ein Cartoon-Video, das er unter dem Titel „Der weise Fischer/Anekdote zur Arbeitsmoral/Böll“ bei YouTube hochlud. Der Verlag, dem die Rechte an Bölls Werk zustehen, forderte den Lehrer zunächst erfolglos auf, das Video zu entfernen und klagte dann auf Unterlassung und Auskunft.

Dem Landgericht Köln stellten sich angesichts dieses Sachverhalts eine Reihe interessanter urheberrechtlicher Fragen: kann ein Cartoon auf YouTube eine Vervielfältigung eines Sprachwerks sein? Handelt es sich um eine freie Bearbeitung, die ohne Erlaubnis des Urhebers zulässig ist? Kann der Lehrer sich auf die Schranke des § 51a UrhG berufen, weil das Video eine Karikatur, Parodie oder Pastiche darstellt?

Mit Urteil vom 28.03.2024, Az. 14 O 181/22 hat das Landgericht Köln dem klagenden Verlag Recht gegeben. Dabei stellten die Richter zunächst fest, dass die Überführung von Bölls (Sprach-)Werk in ein anderes Medium – hier in einen Film – nicht dazu führt, dass keine Vervielfältigung im urheberrechtlichen Sinn vorliegt. Da der Beklagte die Fabel nicht nur als Inspiration genutzt, sondern die wesentlichen Gestaltungsmerkmale übernommen hatte, stellte das Video eine Kopie des ursprünglichen Textes dar.

Der Beklagte konnte sich auch nicht mit Erfolg auf die Schrankenregelung des § 51 UrhG berufen. So verneinte das Gericht das Vorliegen einer Karikatur, weil das Video sich gerade nicht durch Humor oder Verspottung mit dem Original auseinandersetzte. Es handelt sich vielmehr nur um eine modernere Erzählung derselben Fabel. Aus diesem Grund konnte das Gericht auch keine Parodie der Fabel in dem Video erkennen.

Erst seit Juni 2021 kennt das deutsche Urheberrecht auch die Schranke des Pastiche. Der Begriff ist bislang nicht abschließend geklärt, so hat der BGH erst im September 2023 den Rechtsstreit zwischen der Band Kraftwerk und dem Musiker Moses P. erneut ausgesetzt und dem EuGH Fragen zur Auslegung des Pastiche-Begriffs vorgelegt (Az. I ZR 74/22). Trotz dieser Unsicherheit sah das LG Köln sich in der Lage, in der Sache zu entscheiden und dabei das Vorliegen eines Pastiche zu verneinen. Denn die Schranke erlaube zwar die Nutzung von Teilen fremder Werke, eine „alleinige Nutzung des fremden Werks“ sei jedoch ausgeschlossen. Der Beklagte habe hier aber die vollständige Fabel Bölls wiedergegeben, ohne dass eigene Zusätze erfolgt wären.

Unabhängig davon scheitere die Nutzung auch am sog. Drei-Stufen-Test im Sinne des Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2001/29/EG. Das Video würde die normale Verwertung der Fabel beeinträchtigen, da es den rechtmäßigen Absatz verringern könnte. Es sei naheliegend, dass Zuschauer des Videos darauf verzichten würden, den ursprünglichen Text zu lesen und zu diesem Zweck zu kaufen. Es würden auch die Interessen der Klägerin ungebührlich verletzt. Der Beklagte habe die vollständige Fabel übernommen, ohne sich künstlerisch damit auseinanderzusetzen. So hieß es im Erzähltext des Videos, Bölls Fabel werde „nur etwas anders, etwas moderner erzählt“. Dies ist ohne Zustimmung des Verlags aber nicht erlaubt, weswegen der Lehrer nun zu Unterlassung und Auskunftserteilung über den Umfang der Nutzung verurteilt wurde. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

 

Autor: Rechtsanwalt Marc Hügel